Archäologische Funde wie Grabhügel oder Steinkisten liegen nicht nur an
einem Ort, sondern sind immer auch in einen Kontext eingebettet - die
Landschaft. Schon sehr früh sind Höhlen und Anhöhen (Hügel und Berge)
verehrt worden. Aber auch Quellen und Flussläufe. So ist zum Beispiel der
Fluss Ganges der Ahnfrau Ganga geweiht. Die Seine in Frankreich wiederum
trägt den Namen der Quellfrau Sequana. Opfergaben belegen ihre lange
Tradition der Verehrung. Die Höhlenmalereien in Westeuropa und allen voran in
Lascaux/Frankreich weisen darauf hin, dass Höhlen als Ritual- und Kultplätze
genutzt wurden. Ausserdem gibt es Beobachtungen, dass aufgerichtete Steine
(Menhire) auf Örtlichkeiten wie Hügel einen Bezug nehmen, ebenso Grabhügel.
Manche Fundstätten mit steinernen Zeugen belegen wiederum eine
frühgeschichtliche Ahnenverehrung:
Ein spannendes Gebiet sind die weltweit bekannten Schalensteine, die je nach
Zeit und Kultur unterschiedlich genutzt wurden. Zu ihnen gesellen sich
Felszeichen wie diejenigen im Val Camonica/Italien, deren frühe Felsbilder
bis in die Mittelsteinzeit reichen. Daneben gibt es riesige Erdbilder
(Geoglyphen) in Südengland (White Horse, Cerne Abbas) oder in Nasca (Südamerika). Zu diesen
Scharrbildern kommen grössere künstlich errichtete Hügel wie Silbury Hill
(England), Mont Michel in Carnac (Frankreich) oder die Mound-Hügel in
Nordamerika. Eines der schönsten Erdwerke - und immer noch rätselhaft - ist
der Serpent-Mound (Schlangen-Erdbild), dessen volle Dimension nur von oben
erfasst werden kann.
Grossartige Kultstätten wie Goseck in Deutschland, Stonehenge in England oder
Newgrange in Irland sind astronomisch orientiert. Immer wieder sind dabei die
Sonnenläufe beobachtbar: Sommersonnenwende und Mittwinter. Andere
Kultstätten bevorzugen die Tagundnachtgleiche oder die Orientierung zur Zeit
Anfang Februar, Mai, August und November, wie es zum Beispiel in der
keltischen Tradition (Brigit, Beltane, Lughnasad und Samhain) noch
feststellbar ist. Aber auch der Mond spielt eine bedeutende Rolle. So zum
Beispiel auf der Himmelsscheibe von Nebra, bei den Steinstelen von Callanish
oder beim Steinkreis von Aquorties (beide Schottland).
In der
Archäologie hat sich in den letzten Jahren ein neues Wissensgebiet gebildet,
das Landschaftsarchäologie genannt wird. Diese integriert verwandte Themen,
wie sie auch die Anthropologie der Landschaft oder die moderne
Landschaftsmythologie kennen. Die Landschaftsarchäologie selbst wird
folgendermassen beschrieben:
„Ziel ist dabei, die Lebensräume der ur- und frühgeschichtlichen Menschen nicht mehr nur unter ökologischen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gesichtspunkten und Fragen des Rohstoffangebotes zu untersuchen, sondern diese auch unter gesellschaftlichen und im weitesten Sinne kultisch-religiösen Aspekten zu verstehen. Landschaftsarchäologie wird somit als Archäologie einer Kulturlandschaft verstanden.“
(François Bertemes und Andreas Northe
"Die Kreisgrabenanlage von Goseck". In: Archäologie in
Sachsen-Anhalt · 5 · 2010)
Landschaftsarchäologie ist kulturhistorisch bedeutsam:
-
Sie verlängert das
geschichtliche Bewusstsein
-
Zeigt Ursprünge und
Veränderungen auf
-
Beschreibt eine Mensch-Natur
Wechselbeziehung
-
Gibt Fragen auf Herkunft und
Vielfalt der Kulturen
-
Erklärt das frühe Weltbild der
Menschen
-
Verdeutlicht Kunst und
Architektur in der Geschichte
-
Ist Teil einer
Rituallandschaft oder Sakralen
Geographie
>> Namenlandschaft
>> Natursagen und Mythenlandschaft
>> Ahninnen-Tradition
>> Landschaftsmythologie